Ein Abend im Geiste der Freiheit

Rund 160 Gäste erleben beim FDP-Frühjahrsempfang im Varieté Friedrichsbau am Pragsattel Spektakuläres, Unerwartetes und die Preisgabe eines gut behüteten Geheimnisses von OB Nopper.

Rund 160 Gäste erleben beim FDP-Frühjahrsempfang im Varieté Friedrichsbau am Pragsattel Spektakuläres, Unerwartetes und die Preisgabe eines gut behüteten Geheimnisses von OB Nopper

Menschen lieben das Unerwartete, das Spektakuläre. All das bietet das Varieté Friedrichsbau am Pragsattel in seinem glamourösen Theatersaal. Wenn sich aber die glitzernde Welt der Bühne und artistischen Darbietungen aus dem aktuellen Programm mit der Politik verbindet, entsteht Außergewöhnliches. Genau das durften etwa 160 Gäste beim Frühjahrsempfang der FDP-Gemeinderatsfraktion erleben. 

Völlig unerwartet schlüpfte am Dienstagabend Gastgeber und Fraktionschef Dr. Matthias Oechsner in das künstlerische Gewand von Liza Minelli. Völlig unkonventionell und denkwürdig. Im Hauptberuf Apotheker, im Ehrenamt Politiker, gab Oechsner den singenden Conférencier. „Ich wollte schon immer mal ein Publikum singend begrüßen, das nicht weglaufen kann“, gestand er mit knitzem Lächeln und ergänzte souverän: „Was passt besser zu Freunden der Freiheit als dieses Theater der Freiheit.“ 

Wer in diesem Moment noch kein Anhänger der Freien Liberalen war, dessen Herz wurde spätestens in diesem Augenblick erobert. Denn Oechsner erschuf einen magischen Moment, der nicht nur die Anwesenden begeisterte, sondern auch den Gedanken der Freiheit, für den die FDP steht, in diesem Ort der Kreativität und Individualität hervorhob.

Ein Herz musste Matthias Oechsner gar nicht mehr erobern. Das des Oberbürgermeisters. Denn Dr. Frank Nopper teilte mit allen „freidenkenden, freilaufenden und freimütigen Damen und Herren Stadträten freidemokratischer und jedweder anderen Herkunft“ ein Geheimnis: „Es ist fast so etwas wie ein Jugendtraum von mir, beim Hochamt der Freien Demokraten, beim Dreikönigstreffen der Liberalen, als Redner auftreten zu dürfen“, hob der OB an und fuhr launig fort: „Als mich die Einladung der FDP für die heutige Veranstaltung erreichte, habe ich deswegen auf den ersten Blick insgeheim gehofft, dass die FDP mich als Dreikönigsredner in der Staatsoper auserwählt hätte.“ Dann habe ihn jedoch Stadtrat Dr. Oechsner knallhart und ohne jede Rücksicht auf sein empfindsames Wesen jäh aus diesem Traum gerissen. Oechsner: „Vor diesen dreiköniglichen Weihen, lieber Herr Dr. Nopper, müssen sie sich erst noch bewähren.“ Nopper erwiderte kampfesmutig und gewohnt zupackend: „Okay, dann ist mein heutiges Grußwort so etwas wie eine Qualifizierungs- und Bewerbungsrede für das Dreikönigstreffen.“

Wie gut, dass in der Phalanx der Ehrengäste und Redner auch der FDP-Landesvorsitzende Michael Theurer war. Er hat den Jugendtraum des Stuttgarter Oberbürgermeisters wohl registriert. Staatssekretär Theurer, einer der obersten Verkehrspolitiker der Republik, hat auch die weiteren Worte von Frank Nopper zur Mobilitätspolitik in Stadt, Land und Region mit Wohlwollen vernommen. Denn in der Rede des Christdemokraten Nopper fanden sich sehr viele Schnittmengen zur Programmatik der FDP.

Das Wichtigste der gelb getünchten Nopper-Rede in Kürze:

· „Wohlstand für alle war das berühmte Motto für Ludwig Erhards soziale Marktwirtschaft. Mobilität für alle sollte meines Erachtens das Leitmotiv der Mobilitätspolitik in Stadt und Land sein.“

· „Mobilität sollte für alle möglich sein und wir sollten alle Mobilitätsformen in ihren unterschiedlichen Ausprägungen fördern – entlang der Bedarfe, entlang der Notwendigkeiten und entlang des Lebensgefühls in unseren Städten.“

· „Mobilität muss bezahlbar sein und sie muss auch umweltverträglich sein. Und weil wir alle automobil bleiben wollen, müssen wir die Automobilität neu denken. Sie muss sauberer und ressourcenschonender werden und sie muss sich den veränderten Bedürfnissen insbesondere in den Innenstädten anpassen.“

· „Wir brauchen ein friedliches und respektvolles Mit- und Nebeneinander im Verkehr. Alle Verkehrsarten haben ihre Berechtigung und sind unterstützenswert. Und wir brauchen eine Gesamtverantwortung für eine florierende Wirtschaft, für sichere Arbeitsplätze und sozialen Ausgleich sowie für aktiven Klima- und Umweltschutz.“

Vor allem in den Worten „friedlich und respektvoll“ steckt aus Sicht von FDP-Stadtrat Eric Neumann ein Grundsatzproblem vieler realexistierender Realsozialisten im Gemeinderat: „Wenn wir auf Mobilität zu sprechen kommen, denke ich immer, es geht denen um orthodoxe Religion, daher fordere ich zu mehr Gemeinsinn auf.“ Dass Vertreter aus diesem Spektrum der Kommunalpolitik die Einladung zum Frühjahrsempfang ausgeschlagen hatten, nimmt er jedoch sportlich.

Weit bedauerlicher empfand es die FDP-Fraktion hingegen, dass der ursprünglich geplante Key-Note-Speaker kurzfristig absagen musste: Bundesverkehrsminister Volker Wissing folgte dem ebenso kurzfristigen wie wichtigen Ruf seines Dienstherren, Bundeskanzler Olaf Scholz, nach China zu Staatspräsident Xi Jinping.

Weit mehr als ein ebenbürtiger Ersatz für Wissing war jedoch Michael Theurer. Der Landesvorsitzende glänzte nicht nur mit Fachwissen und Exzellenz. Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr sowie Beauftragte der Bundesregierung für den Schienenverkehr redete ohne Manuskript (!) und vermittelte den Eindruck, nicht Cicero, sondern er habe das Werk „De Oratore“ (Über den Redner) geschrieben. Mit seiner Aussage „Verkehr ist zentral für uns alle und dient der Wirtschaft“, traf Theurer bei seinem Partei-Freund Oechsner einen neuralgischen Punkt. Denn Theurers Satz trifft in der Stuttgarter Kommunalpolitik keineswegs auf breite Zustimmung. Aus diesem Grund dauerten, so Oechsner, in Stuttgart alle Prozesse und Entscheidungen so lange: „Die Stadt ist nicht mehr regierbar!“

Die Ursache liegt laut Oechsner im Landeswahlrecht begründet. „Man braucht bei der Kommunalwahl nur 0,94 Prozent, um einen Sitz im Gemeinderat zu bekommen. Und dann werden aus solchen Sitzen zusammengewürfelte Fraktionen. Deren Meinungen und Ansichten sind so verschieden, dass es nie zu Entscheidungen kommt.“

Doch trotz dieser unbefriedigenden Situation habe die FDP-Fraktion im Gemeinderat in den vergangenen fünf Jahren der Legislatur viel erreicht: „Hervorzuheben ist dabei unser Kraftakt, eine Erhöhung der Realsteuern zu verhindern. Kraftakt deshalb, weil eine lange Zeit der Legislatur von der Corona-Pandemie überschattet war und die finanzielle Situation der Stadt bedrohlich auf der Kippe stand. Das nährte den Wunsch vieler Linken, an der Steuerschraube zu drehen.“ Auch hier versprach Oechsner bei einer Wiederwahl nach dem 9. Juni wachsam zu bleiben.

Als weiteren Achtungserfolg der Fraktion mit den weiteren drei Räten Doris Höh, Eric Neumann und Armin Serwani nannte Oechsner die Interventionen bei den bürgernahen Ämtern: „Auf unsere Initiative hin kam es unter der Leitung von OB Dr. Frank Nopper zu einer Task Force, um die nicht hinnehmbaren Zustände bei den Ämtern zu verbessern.“

Weitere Erfolge waren die Digitalisierung der Verwaltung. Oechsner: „Weil unser steter Tropfen den analogen Stein der Verwaltung höhlte, kam es zu millionenschweren Investitionen in die Digitalisierung und in die Ausstattung der Schulen. Auch beim Thema Wege, Straßen und Stäffele konnten wir unsere Vorstellungen einer deutlichen Erhöhung der Unterhaltsmittel durchsetzen.“

Dass der Stadt noch mehr freiheitliche Gesinnung im Gemeinderat guttun würde, ist für die ehemalige Landtagsabgeordnete und FDP-Kreisvorsitzende Gabriele Reich-Gutjahr eine Binse. Als jahrzehntelange Mitarbeiterin von Bosch ist sie der festen Überzeugung, dass in den Kommunen und deren Verwaltungen „mehr unternehmerisches Denken“ Einzug halten müsse. In ihrem Schlusswort reicherte sie diese These mit zahlreichen Erlebnissen aus China an. Es sei verblüffend, wie schnell dort Straßen, Gebäude oder Verkehrsinfrastruktur entstünden. „Und wie machen die das?“, fragte sie die Gäste von der Bühne und wiederholte ihr Mantra: „Städte werden wie ein Unternehmen geführt.“

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