Experten-Interview mit City-Manager Sven Hahn - 1/3
Der Stuttgarter Innenstadt, besser gesagt dem Handel, der Gastronomie und den Kulturveranstaltern, geht es nicht gut. Die Leerstände selbst in besten Lagen zeigen das deutlich. Liegt die drohende Verödung nur am wachsenden Online-Handel? Oder hat Stuttgart spezifische Probleme?
Ein zentraler Satz von Hahn lautet: „In der Innenstadt werden im Jahr allein im Handel ungefähr zwei Milliarden Euro umgesetzt, aber in diesem Bereich wohnen nur 6000 Leute. Ergo sind alle Player in der Innenstadt darauf angewiesen, dass Menschen von außen hierherkommen und die Angebote nutzen, Einkaufen, Essen gehen, Nachtkultur nutzen, ins Museum gehen.“
Bedeutet: Die City braucht Menschen aus der Region und dem Umland, um zu überleben. Aber die kommen immer seltener, weil die Erreichbarkeit der Innenstadt schlecht ist. Aber es gibt auch noch andere Gründe, die Sven Hahn im ersten von drei Teilen eines Interviews mit Eric Neumann erläutert.
Herr Hahn, was ist die Zentralitätskennziffer?
Zentralitätskennziffer sagt uns im Endeffekt: Kommt mehr Kaufkraft in die Stadt rein? Oder fließt mehr Kaufkraft aus der Stadt raus? Wenn wir bei dieser Kennziffer über 100 liegen, tut das Stuttgart gut. Dann kommt Kaufkraft von außen hier rein in die Stadt.
Wie wichtig ist ein hoher Wert über 100 für die Innenstadt?
Das brauchen wir ganz, ganz dringend, damit, alles, was wir haben, ein Einkaufszentrum, ein Museum überleben kann. In der Innenstadt werden im Jahr allein im Handel ungefähr zwei Milliarden Euro umgesetzt, aber in diesem Bereich wohnen nur 6000 Leute. Ergo sind alle Player in der Innenstadt darauf angewiesen, dass Menschen von außen hierherkommen und die Angebote nutzen, Einkaufen, Essen gehen, Nachtkultur nutzen, ins Museum gehen.
Wie steht aktuelle um die City?
Naja, der Handel ist die dominante Wirtschaftsform in der Innenstadt, und da findet natürlich ein Wandel statt. Vor zehn Jahren hat man in Stuttgart große Einkaufszentren gebaut, hat die Handelsfläche riesig wachsen lassen. Das ist eine Entwicklung, die würden wir heute nicht mehr sehen. Der Handel wird kleiner, die Flächen werden kleiner. Das hat mit digitalen Angeboten zu tun, und es bedeutet, dass auch Flächen frei werden, dass eine Veränderung stattfindet. Wichtig aber der Handel bleibt die zentrale Funktion auch in dieser Innenstadt neben allen anderen. Aber wir brauchen tatsächlich noch weitere Nutzungen, damit es für alle Beteiligten funktioniert.
Was sind denn die Erfolgsfaktoren von einem erfolgreichen Quartier oder einer erfolgreichen Innenstadt?
Grundsätzlich muss man sagen, im Vergleich von vor zehn Jahren sind die Leute alle freiwillig da, es muss keiner mehr herkommen. Ich muss nicht herkommen, um einzukaufen, das kann ich im Internet. Ich muss nicht herkommen, um zu arbeiten, ich kann ja Homeoffice machen. Ich muss nicht her, um ins Restaurant zu gehen, ich kann das Essen liefern lassen und, und, und.
Sie wollen andeuten, dass die City attraktiv sein muss?
Genau. Die Leute sind alle freiwillig da und entscheiden sich aktiv dafür, hierher zu kommen, wenn die Erreichbarkeit gut ist mit allen Verkehrsmitteln, die für einen relevant sind. Und wenn es hier anständig aussieht, wenn es sauber ist, wenn es sicher ist, wenn das Image dieses Ortes entsprechend ist.
Was meinen Sie mit Image?
Ich gehe nirgendwohin, wo ich mich vor meinen Nachbarn rechtfertigen muss, was machst du eigentlich da? Soll ich sagen, hey, ich war in Stuttgart, und das hat einen gewissen Klang, dann komme ich auch. Das ist so die Grundmaxime, das ist das, was sich verändert hat: Leute müssen freiwillig kommen.
Ist es gut, dass sich die Innenstadt wie sagt man, „modern diversifiziert“, dass wir Anlaufpunkte für verschiedenes Klientel haben?
Richtig. Da gehört ein Dorotheen-Quartier dazu, da gehört die Calwer Straße, Calwerpassage dazu, da gehört aber auch eine Königstraße, ein Gerberviertel und ein Europaviertel mit einem Milano dazu. Das sind Quartiere, wo wir in den letzten Jahren dieser Stadt Veränderungen vorgenommen haben. Wenn sie sich das vorher nachher anschauen, sind wir weit gekommen. Also ein Gerberviertel mit allen Problemen, die es in jeder, in jedem Quartier, in jeder Wirtschaftsform auch gibt. Da war früher die Tankstelle, da wurde mehr Sprit verkauft als Benzin. Das gilt auch für ein Dorotheen-Quartier. Das war der Hintereingang vom Innenministerium und Betten-Braun-Gebäude, da war gar nichts los, und wenn was los war, war es nicht schön. (1/3)