„Für uns steht immer der Mensch im Vordergrund“

Zwei wie Pech und Schwefel. Zwischen Doris Höh und Armin Serwani passte in den vergangenen fünf Jahren in der FDP-Fraktion kein Blatt. „Wir haben uns immer gegenseitig unterstützt“, sagt Doris Höh. Serwani ergänzt: „Unsere Zusammenarbeit war sehr freundschaftlich. Und unterstützend.“ Im Interview erzählen beide zum Ende ihrer Amtszeit von ihren Gänsehautmomenten und ihren Zukunftsplänen.

Wie würdet ihr gemeinsam die Zeit als Stadträten reflektieren? Wie war die Zusammenarbeit und welche Erfahrungen waren prägend?

Serwani: Unsere Zusammenarbeit war sehr freundschaftlich. 

Höh: Wir haben uns immer gegenseitig unterstützt. Unsere Zuständigkeiten waren ja komplett verschieden. Armin hat ja sehr viel Verkehr und Stadtentwicklung gemacht. Aber ganz oft haben sich die Themen überschnitten oder verzahnt. Etwa, wenn die Jugendhilfe nach einem passenden Gebäude gesucht hat oder es saniert werden musste. Da konnten wir oft einen Doppelpass spielen.  

Wenn ihr auf eure fünf Jahre zurückblickt, auf was seid ihr stolz?

Höh: Da fällt mir sofort der Drogenkonsumraum ein, den wir endlich realisieren konnten. In der letzten SGA-Sitzung war es tatsächlich nochmal ein Highlight, dass der Oberstaatsanwalt die Genehmigung dazu unterschrieben hat und wir jetzt mit der Sanierung beginnen können. So kann der Raum entweder dieses oder spätestens Anfang nächsten Jahres in Betrieb gehen, was natürlich auch der Stadtgesellschaft und den Menschen, die abhängig sind, unheimlich hilft.

Serwani: Mein Anteil daran ist, dass ich durch den Bebauungsplan der ehemaligen Bundesbahndirektion dafür gesorgt habe, dass der Drogenkonsumraum dort gesichert ist, weil das Haus erhalten bleibt.

Höh: Ja, wir haben Hand in Hand etwas geschafft.

Welche Herausforderungen gab es?

Höh: Also die erste große Herausforderung für mich war nach anderthalb Monaten Amtszeit der erste Doppelhaushalt. Das war wirklich heftig für uns als Neulinge. Wir haben damals tagelang, ja wochenlang, an diesem Haushalt mitgearbeitet, haben Anträge geschrieben und dann für unsere Anträge gekämpft.

Serwani: Ja, die Doris hat vollkommen Recht. Ein Doppelhaushalt gleich zu Beginn der Amtsperiode ist ungeschickt. Als Greenhorn ist man da noch nicht so drin. Wir sind im September ins Amt gekommen und dann sollte im Dezember dieser Haushalt verabschiedet werden.

Wie wichtig war es für euch, eure persönlichen und natürlich auch die liberalen Werte im Gemeinderat umzusetzen?

Höh: Das kann ich kurz beantworten. Für uns stand und steht immer der Mensch im Vordergrund. Der Mensch, egal ob Kind, Jugendlicher oder Erwachsener ist für mich eigentlich immer das Maß der Dinge. Diese Einstellung zog sich wie ein roter Faden durch meine Amtszeit. 

Das dürfte bei dir kaum anders gewesen sein, Armin! Halb Stuttgart hat geweint, weil du dem neuen Gemeinderat nicht mehr angehörst. Manche nennen dich sogar einen Menschenfänger.

Serwani: Na ja, das ist vielleicht etwas hochgegriffen. Aber ich konnte tatsächlich zwischen den verschiedenen politischen Lagern vermitteln und für Verständigung sorgen. Ich habe meine Aufgabe immer darin gesehen, die liberalen Werte in meinen Themen hochzuhalten.

Kannst du ein Beispiel nennen?

Serwani: Etwa bei Verkehrsthemen. Es war mir wichtig, dass verschiedene Mobilitätsformen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Also Radfahrwege nicht gegen Straßen. Die Verteufelung einer Mobilitätsform passt nicht in mein individualistisches und liberales Weltbild. Und genauso habe ich dann auch immer gehandelt und abgestimmt.

Höh: Bei mir war es ähnlich. Ganz oft waren bei sozialen Themen die Ziele nicht weit weg von denen des links-grünen Lagers. Aber es gab einen markanten Unterschied.

Nämlich?

Höh: Wir hatten unterschiedliche Wege zum Ziel. Daher bin ich der Meinung, wenn es menschlich stimmt, kann man noch so harte politische Auseinandersetzungen haben, aber das Menschliche muss stimmen. Man muss sich nachher noch in die Augen gucken können – und das konnte man bei mir immer.

Serwani: Das war bei mir nie anders. Ich konnte und kann mit allen. Mit Hannes Rockenbauch oder Luigi Pantisano habe ich mich politisch oft gezofft, aber menschlich haben wir uns verstanden.

Was habt ihr gelernt?

Höh: Geduld zu haben, Entscheidungen abzuwarten. Und nun freundschaftliche Verbindungen zu allen möglichen Leuten zu haben, mit denen man vorher keinen Kontakt hatte.

Serwani: Ja, so ist es.

Was waren eure Gänsehautmomente während eurer Amtszeit?

Höh: Ich fand, einer unserer Gänsehautmomente war unser Fraktions-Auftritt vor der Ausländerbehörde. Da haben wir am frühen Morgen an einen Informationsstand Wasser und Sonnenschutz verteilt. Dann kam die Amtsleiterin und fragte: Was machen Sie hier? Wir hatten geantwortet: Wir machen das Geschäft, das eigentlich das Amt für Öffentliche Ordnung machen müsste, nämlich die Leute hier vor der sengenden Hitze zu schützen oder mit Wasser zu versorgen.

Serwani: Das Schöne daran war, dass es nicht nur eine politische Symbolaktion war. Denn nur einen Tag später hat die Verwaltung sich unsere Worte zu Herzen genommen und hat selbst für Wasser und Sonnenschutz gesorgt.

Höh: Zum anderen gab es einen Tag später dann die berühmte Taskforce, die bis heute tagt und bis heute keine signifikante Veränderung gebracht hat.

Ist es euch gelungen, den Wirtschaftsstandort Stuttgart zu stärken?

Serwani: In Bezug auf die Innenstadt: ja, eindeutig. Hier habe ich mich in meinem Ausschuss dafür eingesetzt, dass man für Lieferfahrzeuge Zonen einrichtet. Dass die nicht in zweiter Reihe irgendwo parken müssen. Außerdem habe ich mit anderen erreicht, dass alle privaten Parkplätze und Tiefgaragenplätze in der Innenstadt erreichbar sein müssen. Die Innenstadtparkplätze sind am Freitagnachmittag voll. Es gibt dann keine freien Parkplätze mehr. Daher müssen wir auch in Zukunft darauf achten, dass es in der City Parkplätze gibt. Denn es ist ein Trugschluss, dass man mit dem Lastenfahrrad einkaufen geht oder mit dem ÖPNV. Ich schleppe nicht fünf Tüten, wenn ich mal wirklich einen großen Einkauf mache, in der Gegend rum.

Zu Beginn eurer Amtszeit hat die Fraktion erhebliche Schwierigkeiten gehabt, ihre Erfolge und ihre Positionen nach außen zu bringen. Es gab keine angemessene Öffentlichkeitsarbeit. Wie sieht das jetzt aus?

Serwani: Also jetzt ist es wesentlich besser geworden, seitdem wir Martin Haar und sein Team hatten, nimmt man die FDP-Gemeinderatsfraktion in der Öffentlichkeit über verschiedene Kanäle wahr. Ohne professionelle Kommunikation geht es heute im politischen Geschäft eigentlich nicht mehr.

Höh: Vorher hatten wir als Fraktion tatsächlich unsere Probleme, unsere Positionen nach außen zu bringen. Seit wir einen Profi an unserer Seite haben, ist das wirklich wesentlich besser geworden.

Wie fühlt sich euer Abschied vom Gemeinderat an?

Höh: Wer in der Politik unterwegs ist, weiß, dass er auf Zeit gewählt ist. Klar hätte ich Lust gehabt, weiterzumachen, ohne Frage. Aber ich bin jetzt nicht todtraurig, weil es nicht so ist. Ich finde andere Dinge.

Du, Armin bleibst der Kommunalpolitik ja treu…

Serwani: Ich hatte mich schon darauf eingerichtet, nach 44 Jahren kommunalpolitischer Tätigkeiten in den politischen Ruhestand zu gehen. Und siehe da: Jetzt kommt die neue Aufgabe als Bezirksvorsteher Ost auf mich zu, falls ich vom Gemeinderat gewählt werde. Und durch die Erfahrung, die ich als Gemeinderat habe, ist das ein Gewinn für den Osten und die Arbeit mit den Bezirksbeiräten.

Höh: Der Osten kann sich glücklich schätzen, dass er den Armin als Bezirksvorsteher bekommt.

Von Armin haben wir jetzt gerade gehört, dass seine politische Laufbahn weitergeht. Wie sieht es denn bei dir aus, Doris?

Höh: Ich werde sicher dem Sozialen und der Jugend verbunden bleiben. Und dem Osten. 

Was gebt ihr euren beiden Nachfolgern, Cornelius Hummel und Friedrich Haag, mit auf den Weg?

Höh: Die brauchen keine guten Ratschläge.

Serwani: Ja, das sind beides Profis und die werden das schon machen. Ich bin auch ins kalte Wasser geschmissen worden. Aber da fällt mit doch was ein: Geduld müssen sie haben. Es geht in der Stadt nichts von heute auf nachher. Als Bezirksbeirat ist es einfach, immer zu meckern und zu sagen, warum hat man die Antwort der Verwaltung noch nicht nach vier Wochen. Als Stadtrat ist man daran gewöhnt, dass es doch ein bisschen länger dauert. Und dann nimmt man halt das Telefon in die Hand und spricht mit den Amtsleitern oder den zuständigen Sachbearbeitern. Dann kriegt man die Informationen, die man haben muss, ohne großartige Anträge zu stellen.

Wie seht ihr Stuttgart? Und was wollt ihr gerne den Stuttgartern noch zurufen?

Serwani: Also ich bin immer optimistisch. Bei mir ist das Glas immer halb voll. Nicht halb leer. Ich glaube Stuttgart ist auf einem guten Weg. Stuttgart ist für mich immer noch die schönste Stadt auf der Welt – und ich war schon in vielen, vielen Städten. Ich kann mir nicht vorstellen, aus Stuttgart wegzugehen. Diese Stadt ist weltoffen und liberal gesinnt.

Höh: Wir wissen ja, der Schwabe ist ein Bruddler. Und im Bruddeln sind die Stuttgarter ganz groß. Nichtsdestotrotz ist Stuttgart tatsächlich eine tolle Stadt. Ich wollte tatsächlich auch nirgendwo anders leben. Ich finde auch die Menschen in Stuttgart toll, wobei viele, die hier zuziehen, ein großes Problem haben, Kontakte zu finden. Das ist halt der Schwabe, so ist er.

Serwani (lacht): Als gebürtiger Saarländer muss ich sagen, dass es im Saarland anders ist. Wenn du dort in ein Lokal reinkommst und dich alleine an den Tisch setzt, dann wirst du gleich an die Theke gerufen!

Höh (grinst): Armin hat Recht. In Stuttgart ist es so: An jedem Tisch sitzt einer und wenn du dann fragst, ob du dich dazusetzen darfst, bekommst du die Antwort: Wenn es sein muss. Aber in Stuttgart ist eine ganze Menge gut. Und eine ganze Menge sehr viel besser als anderswo. Von daher Rufe ich den Leuten einfach zu: Menschenskinder, lebt euer Leben! Seht das Positive und nicht immer nur das Negative. Es gibt so viele schöne Sachen hier in Stuttgart.

Danke für das Gespräch.

 

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